Viele Menschen können sich Gesichter, Orte oder Momente bildlich in ihrem Kopf vorstellen – bei mir ist das anders. Als ich herausfand, dass ich Aphantasie habe, war das ein spannender Moment, weil ich nie das Gefühl hatte, dass mir etwas fehlt. Im Gegenteil: Ich habe nie das Gefühl gehabt, weniger „Erinnerung“ zu haben, nur weil ich keine Bilder in meinem Kopf sehe.
Mein Gedächtnis – anders, aber nicht schlechter
Was ich über mich sagen kann: Mein autobiografisches Gedächtnis ist nicht das stärkste. Ich kann mich nicht immer an jedes Detail vergangener Erlebnisse erinnern. Trotzdem habe ich ein tiefes „Wissen“, wie bestimmte Situationen waren. Es ist, als ob ich einfach „weiß“, was passiert ist – auch ohne, dass ich es klar vor meinem inneren Auge sehen kann. Das Gefühl, etwas zu „wissen“, ist für mich zentral. Ich kann sehr schnell auf Gespräche und gesprochenes Wort reagieren und es verarbeiten. Worte sind für mich sehr viel greifbarer als Bilder.
Gesichter und Filme – unbewusst starkes Gedächtnis
Interessanterweise habe ich ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Das klingt vielleicht widersprüchlich, aber wenn ich jemanden lange nicht gesehen habe, erkenne ich ihn sofort. Ich weiß einfach, wer es ist, auch wenn ich mir sein Gesicht nicht bewusst vorstellen kann. Ähnlich ist es bei Filmen. Manchmal habe ich das Gefühl, als ob ich etwas „wiederfinde“, wenn ich einen Film erneut sehe. Es fühlt sich nicht so an, als ob ich es ganz vergessen hätte – eher wie ein wiederentdeckter Schatz.
Intuition als Schlüssel
Meine Intuition ist stark. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mein Körper und Geist Informationen auf einer tiefen Ebene verarbeiten, die mir im bewussten Denken gar nicht so klar ist. Ich vertraue darauf, dass ich „weiß“, wie Menschen aussehen oder wie eine Situation war. Dieser intuitive Zugang ist ein großer Vorteil, den ich nicht missen möchte.
Erfahrungen anderer
Interessanterweise berichten Mitglieder im Aphantasie-Forum Ähnliches. Sie haben vielleicht keine bildlichen Erinnerungen, aber ein starkes Gefühl dafür, wie etwas war. Das zeigt mir, dass Aphantasie keine Schwäche ist, sondern eine andere Art, die Welt zu erleben.
Aphantasie als positive Eigenschaft
Für mich ist Aphantasie nicht nur „normal“, sondern sogar positiv. Es gibt mir oft das Gefühl, als ob ich etwas wiederfinde, anstatt es zu verlieren. Ich muss nichts visuell festhalten, um zu wissen, dass es da ist. Das gibt mir ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit, mich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist.
Insgesamt erlebe ich meine Erinnerungen vielleicht anders als andere, aber sie sind nicht weniger wertvoll – sie sind einfach anders. Und das ist vollkommen in Ordnung.
Ich hoffe, dieser kleine Einblick in meine Erinnerungswelt inspiriert dich, auch deinen eigenen Zugang zu Aphantasie oder deiner Art von Gedächtnis zu reflektieren. 😊
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