Ich bin nicht sicher, ob es einen Zusammenhang zu Aphantasie gibt, aber ich habe generell Schwierigkeiten damit, Bilder zu interpretieren. In meinem Kopf läuft es dann meist so ab, dass ich die einzelnen Elemente eines Bildes analysiere und sie mit Worten beschreibe, um die Inhalte des Bildes, oder vielleicht auch einen Lehrpunkt, der verdeutlicht werden soll. Meist verbringe ich dann Minuten damit, ein Bild zu verstehen, was für andere eine Sache von Sekunden ist. Für mich muss ich den Satz "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" negieren zu "Ein Wort sagt mehr als tausend Bilder".
Hat jemand ähnliche Beobachtungen bei sich gemacht?
Die Überschrift hat mich erst auf einen anderen Pfad gelockt. Doch auch der passt hier glaube ich gut dazu. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Wenn das ganze Bild aus einer Farbe besteht, wie z.B. Rot, wirst Du jemandem der diese Farbe nicht kennt, Blind ist oder so auch nicht mit einer millionen Worten die Farbe Rot erklären können. Das was wir sehen, hören, fühlen sind Empfindungen die wir nur jemandem erklären können der diese Empfindungen ebenfalls kennt. Aus dieser Richtung betrachtet sagt ein Bild mehr als eintausend Worte, da möglichst die gleichen Rezeptoren angeregt werden. Aus unterschiedlichen Erfahrungen heraus, können natürlich unterschiedliche Empfindungen ausgelöst werden, wobei der Informationsgehalt schon recht gut übereinstimmen kann. Bei der Bildinterpretation bin ich über den beschreibenden Teil nie herausgekommen und konnte mit anderen Bildinterpretationen nichts anfangen....
Bei mir lautet der Spruch schon seit meiner Kindheit: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte ... in einer Sprache, die ich nicht verstehe". Richtig, richtig unangenehm wird es dabei für mich, wenn jemand mit den Zeichen an den Toilettentüren kreativ war, und ich keine Ahnung habe, welches der Bilder nun "Damen" und welches "Herren" sagen soll. Das ist zum Glück zwar noch nicht oft passiert, weil sich die meisten Orte doch auf Schriftzüge oder Strichmännchen mit und ohne Cape geeinigt, aber wenn es passiert ist es so unangenehm.
Ich gehöre auch zu denjenigen, die Sprache bewusster einsetzen, als mein Umfeld. Ich tendiere aber auch dazu, Dinge sehr wörtlich zu nehmen und es gibt ein paar häufige Fehler, die mich wirklich extrem stören.
Beides hatte ich bisher aber eher meinem Autismus als der Aphantasie zugeordnet, wobei ich das bei der Schwierigkeit, Bilder zu interpretieren, wohl überdenken werde.
Etwas mit Worten beschreiben: Gesprochene Sätze wirken auf den Zuhörer zuerst über die Persönlichkeit des Sprechers. Z.B.: Würde ein Sechsjähriger über philosophische Fragen reflektieren, nähmen wir das nicht für voll. Wir bilden uns praktisch immer unbewusst Vorurteile, die andere Menschen zu verstehen beeinflussen (selbst bei Büchern).
Vor vielen Zuhörern zu reden ist etwas anderes als vor einer bekannten.
Ein Bild für sich zu betrachten ändert sich im Laufe der Zeit: Das erste Mal ist alles neu, ein anderes Mal sieht man wiederum nach noch nicht Entdecktes oder Vergessenes im Bild und natürlich immer nach dem, was einem interessiert oder gefällt.
Mir geht Dein Satz "Ein Wort sagt mehr als tausend Bilder" nicht mehr aus dem Kopf. Worte können so unterschiedliche Bedeutungen haben. Auf der einen Seite vielfältige Bedeutungen und auf der anderen Seite auch noch positiv oder negativ. Je nachdem, wie jemand ein Wort für sich abgespeichert hat oder in welchem Kontext [Bilder], so unterschiedlich kann dann die Person gegenüber es auch wieder auffassen, was dann wiederum für Mißverständnisse führen kann. Und das nicht nur bei Menschen mit Aphantasie. Viele Menschen nehmen aber oft gar nicht bewusst wahr, wie sie Wörter nutzen. Ich bemerke das so oft in meinem persönlichen Umfeld. Nehmen Aphantasiker eigentlich Sprache viel bewusster wahr und setzen sie auch bewusster ein, um sich genauer ausdrücken und mitteilen zu können? Oder ist das auch nur eine individuelle Marotte von mir?
Hallo Andreas, ich kenne das bedingt auch und ich würde das sogar erweitern und auf andere Dinge und Sachverhalte beziehen, die interpretiert werden können. Wenn man es genau nimmt, interpretiert jeder Mensch individuell über seine eigene "Brille" aufgrund seiner Erfahrungen, Erkenntnisse und seinem Verständnis, wie etwas ist und funktioniert. Bei der Aphantasie scheint es bei der Interpretation eines Bildes (oder beispielsweise auch ein Gedicht oder Geschichte oder...) auch eine andere Herangehensweise zu geben. Sicherlich gibt es Handlungsanweisungen, wie man eine Bildanalyse durchführen sollte, doch auch dabei gibt es individuelle Ergebnisse. Von 100 Bildanalysen von 100 verschiedenen Menschen des ein und desselben Bildes bringen sicherlich sehr viele ähnliche Analysen zum Ergebnis, doch sie sind nie identisch. Gefühlt hatte ich bei Bildanalysen oder auch Gedichtanalysen immer eine andere Sichtweise als die Lehrer und der Großteil meiner Mitschüler. Ich weiß nicht, woran das lag. Irgendwie wirkten Farben und Strukturen oder auch Textinhalte anders auf mich und riefen andere Assoziationen und Emotionen hervor, als bei meinen Mitschülern. Ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass andere bildhafte Assoziationen bekommen und Aphantasiker nicht. Im Endeffekt gleicht ja jeder, egal ob aphantastisch, normal oder hyperphantastisch veranlagt, in seinen Erinnerungen das Vorliegende ab und probiert daraus Rückschlüsse zu ziehen. Was für andere eindeutig empfunden wurde, war für mich eher schwammig und hat viel mehr Interpretationsspielraum geboten, als andere eingeräumt hatten. Das hat oft für Frust bei mir gesorgt. Ich weiß nicht, warum das so unterschiedlich wahrgenommen wurde. Aber es hat ein Gefühl in mir erzeugt, dass ich mich weniger zugehörig gefühlt hatte, Je öfter ich Dinge anders sah als andere, umso mehr hab ich mich anders und "abgesondert" wahrgenommen. Du hast es auf den Punkt gebracht mit "Verstehen", Andreas. Ich versuche auch immer alles zu verstehen, weil ich sonst keinen effektiven oder bleibenden Zugang zu etwas bekomme.