Am 12. Januar 2024 habe ich erfahren, dass ich Aphantasie habe – also die Unfähigkeit, vor meinem inneren Auge Bilder zu erzeugen. Der Auslöser war eine Affirmationskarte, die mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass das, was für andere selbstverständlich ist, bei mir einfach nicht funktioniert.
Wie war das bei euch – wann habt ihr entdeckt, dass ihr anders wahrnehmt?
Meine Erkenntnis über Aphantasie kam 2019 über eine geleitete Fantasiereise in meinem Psychologie Bachelor. Im Anschluss daran teilten wir unser Erleben während der Reise. Ich hob begeistert die Hand, um meinen tiefen Entspannungszustand mitzuteilen. Die anderen beschrieben sehr bildhaft und eindrücklich, dass sie sich währenddessen in der Harry Potter Welt oder am Lieblingsstrand der Kindheit befanden. Ich ließ meine Hand vorsichtig nach unten sinken und spürte eine Irritation - ein Gefühl der Andersartigkeit. In meiner Recherche stieß ich dann auf einen Facebookbeitrag zum Thema Aphantasie. Dort begann für mich ein neues Verständnis meiner Selbst sowie allgemein ein differenziertes Verständnis über die Kognition von Menschen.
Hallo Nadine,
ich verfolge schon seit einiger Zeit diese Forum und bin überrascht, dass es doch so viel Menschen mit Aphantasie gibt. Ich selber bin vor zwei Jahren darauf gekommen. Meine Freundin meinte, dass Sie mein Gesicht bei einer Vorlesung während Ihres Studiums plötzlich vor Ihren Augen hatte. Das war für mich erstmal so eine typische Aussage. Kurz danach lag sie neben mir und ich sah mir ihr Gesicht an und schloss die Augen und verzweifelte schier daran, dass ich mir nichts von ihr merken konnte. Nicht wie die Nase aussieht, das Grübchen neben dem Mund. Einfach nichts. Also habe ich recherchiert. Zuerst dachte ich, ich habe so was wie Gesichtsblindheit, doch dann erschien das Wort "Aphantasie" auf dem Bildschirm und ich war geflasht. Je mehr ich gelesen habe, desto deutlicher wurde mir: das habe ich auch. Ich habe einen schwarzen Bildschirm hinter den geschlossenen Augen. Wie auch bei vielen anderen mit Aphantasie sind meine Träume jedoch teilweise echte Blockbuster. Nebenbei hat sich dann auch rauskristallisiert, dass ich wegen der fehlenden Bilder keinerlei Erinnerungen an früher habe. Meine Kindheit - nichts, da kommt nun das SDAM ins Spiel. Davon hab ich in diesem Forum zum ersten Mal gelesen
Meine Schulzeit - ja ich war auf der Schule
Meine Lehrzeit - ich hab einen Abschluß
Meine 12 Jahre Bundewehr - tja, ich hatte eine Uniform an.
Mittlerweile bin ich 61 Jahre alt und kann keine Autobiographie schreiben, ist ja nichts da.
Leider hat sich in meinem Umfeld bisher keiner richtig dafür interessiert. Oft werde ich auch veralbert: "Ach ja, du kannst Dir ja nichts vorstellen"
Selbst meine Frau und meine Söhne sind nicht daran interessiert mit mir darüber zu diskutieren oder überhaupt darüber zu sprechen.
Durch meine Recherche bin ich dann auch noch auf ein Thema gestoßen, dass mir im Nachhinein einige Erklärungen über mein bisheriges Leben gegeben hat: GEFÜHLE....
Ich kann eigentlich nichts empfinden. Ich habe vor einiger Zeit echt nachsehen müssen, wie man z.B. Liebe empfindet, was da passiert. Zu meiner Jugend war das alles kein Thema. Das ist so, das macht man so. Frau, Heirat, Kinder. Kein Kribbeln im Bauch, Geburt der Kinder - ja, sie sind da, mehr nicht.
Da habe ich jetzt auch noch eine neues Wort gefunden: Alexithymie (echt nur Zufall, dass ich Alex heiße). In wie weit, das mit Aphantasie zusammenhängt, kann ich nicht sagen, aber es ist schon sehr interessant.
Aber das ist ein anderes Thema und hat in diesem Forum nicht zu suchen.
Leider muss ich bis an mein Lebensende auf Bilder im Kopf verzichten. Wäre schon schön, wenn man sagen könnte: "Ja, das sehe ich auch"
Geht leider nicht, da kann man auch nichts dran ändern. Ich bin über 60 Jahre damit zurechtgekommen, werde ich die restlichen Jahre auch noch.
Grüße aus dem schönen Bayern
Alex
Hallo Gleichgesinnte :) ich bin vor 2 Monaten darauf gestossen, dass andere tatsächlich innere Bilder sehen, schöne Momente im Leben heraufholen können und auch Details von einem Strand, das Lieblings- Café bildlich in sich oder vor sich sehen.... Wie die meisten von uns hier hielt ich das mein Leben lang für Märchen; als ob jemand in sich ein Bild hervorrufen könnte... Realisiert habe ich das Ganze durch einen Beitrag auf dem Schweizer Youtoube Kanal SRF, ein nur 7minütiges Video der Sendereihe 'Einstein'; 'ja klar', dachte ich, 'wir sehen alle keine inneren Bilder, niemand kann sich Schafe vorstellen, niemand kann sich einen roten Apfel vorstellen'; ok, inzwischen bin ich schon sehr vertraut mit den gängigen Aphantasie Videos, insbesondere auf Youtube. Bin total betroffen davon, denn ich kann mir rein nichts vorstellen, auch nicht meine Frau, nicht meinen Sohn - dieser Aspekt tut mir insofern weh, weil die anderen 96% das tadellos hinkriegen; das wäre natürlich toll, wenn man sich jederzeit die Liebsten vorstellen könnte. Ich bin auch bereits 61, habe also den Grossteil meines Lebens in einer Illusion verbracht :); ich spreche nun mit sehr vielen Menschen darüber, in der Familie, mit Freunden, im Job. Eine Arbeitskollegin hat sich übrigens in meinen Schilderungen sofort erkannt - und war extrem erleichtert, dass es einen Namen dafür gibt und sogar Forschung dazu betrieben wird. Ich bin nicht erschüttert, aber spreche darüber, wenn sich Gelegenheit ergibt; es ist sehr interessant, wie die Mitmenschen reagieren, nämlich zutiefst verunsichert: 'was, Du kannst das wirklich nicht? aber da fehlt doch alles - so ohne Kopfkino, ohne innere Welten, Phantasiereisen?' Ja, denke ich, das hab ich alles nicht - in mir drin ist es absolut still, keine Stimmen, keine bildlichen Eindrücke, keine Düfte (aber auch kein Gestank), dafür mein Gedankenfluss. Wenn ich die Augen schliesse, ist es einfach dunkel - es kommt mit Sicherheit kein Bild, auch kein Schemen, einfach nichts. Aber ich finde auch gut Ruhe, es gibt absolut keine Flashbacks, ich kann mich nicht in unangenehme Situationen zurückversetzen. Wenn etwas vorbei ist, ist es vorbei.
In den Träumen kann ich mithalten, diese sind auch farbig, lebhaft, laut; aber keine Alpträume.
Im Job hat mich die Aphantasie nicht gross behindert (Controller, Betriebswirtschafter), aber zu 100% in der ganzen Schulkarriere, was mir erst jetzt bewusst wird. Ist im Nachhinein aber auch kein Drama.
Ich werde nun bestimmt ab und zu hier mal auftauchen zum Austausch - es hat bereits etliche interessante Inputs. Alles Gute, ä fründleche Gruess us der Schwiz, Beat
Ich habe schon immer gewusst, dass ich mir Bilder "schwach" vorm inneren Auge vorstellen kann, ich war ein Kind und dachte jeder hat das so - warum sollte auch gerade ich "anders" sein. vor 3 Jahren habe ich zufällig einen Artikel gesehen "Wenn man vorm inneren Auge Blind ist" (oder so ähnlich) habe den dann gelesen & dann meine Frau gefragt ob sie ihr das eigentlich auch so geht wie mir.. Sie guckte mich an als wäre ich vom Mond ..
Hallo, was man da alles lernt! Body-Scans - hab ich noch nie zuvor gehört.
Wie war das bei euch – wann habt ihr entdeckt, dass ihr anders wahrnehmt?
Ganz früh! Ich habe mit 3 Jahren schon gemerkt, das Andere anders sind. Ich habe mit Anfang 20 (T0) mein altes externes komplettes Wahrnehmungs- und Wertesystem bewußt zerstört, und ich habe von "ich bin!" an alles neu aufgebaut. Das war inzwischen vor über 40 Jahren. Dank meines SDAM* könnte es aber genauso gut gestern gewesen sein.
Am 12. Januar 2024 habe ich erfahren, dass ich Aphantasie habe – also die Unfähigkeit, vor meinem inneren Auge Bilder zu erzeugen.
Tja. Das Datum könnte ich auch ungefähr festlegen: Juni/Juli 2024:
Bei der letzten psychosomatischen ReHa Aufnahme (CEDOM Diagnostische Fragen) bin ich über mein SDAM* gestolpert:
"Wie fühle ich mich im Vergleich zu früher?"
Ich dachte:"Was sind das für blöde Fragen? Wie soll man die beantworten?"
und machte mir sogleich Notizen, um meine Bezugstherapeutin hierzu zu befragen...
... um es beim Erst- und Zweitgespräch zu vergessen (SDAM*)
Während der 5wöchigen ReHa ist mir die CEDOM-Problematik wieder eingefallen;
dabei bin ich über das Aphantasia Network gestolpert, am gleichen Abend noch über Merlin et al bei der Uni Bonn, tja... seitdem mache ich mich schlau.
Tatsächlich ist meine visuelle Aphantasie ein nur nebensächlicher Teil meiner Neurodiversität:
Andere Traits (Persönlichkeitseigenschaften) haben mein Leben deutlich stärker beeinflußt.
Ich wickle jetzt - für mich neu - quasi alles rückwärts ab, sämtliche Kompensationen & Maskierungen von Prä-T0, also Teen & Kindheit Zeiten zu verstehen. Das ist so unglaublich schwer, weil ich keine autobiographischen (Ich) Erlebnisse habe, SDAM* eben.
Es ist wirklich so für mich, ich habe keinerlei Erinnerungen daran, ein anderes Alter gehabt zu haben als jetzt, meine (semantischen) Erinnerungen sind dagegen völlig zeitlos, aber Ich bin nicht mehr als jeder andere Zuschauer der jeweiligen Szenerie.
LG
*) SDAM ist eine erhebliche Schwäche des autobiographischen Gedächtnisses.
Sie kann, muß jedoch nicht mit Aphantasie zusammen auftreten.
Bei mir war es ein kleiner Artikel zum Thema Aphantasie in einer Zeitschrift. Da stand in etwa geschrieben, dass die meisten Menschen bei der Aufforderung "stell dir mit geschlossenen Augen einen Apfel vor" einen grünen Apfel sehen, manche einen roten Apfel und etwa 5% sehen gar nichts außer schwarz - und da wurde mir erstmals bewusst, dass die anderen etwas sehen - ich sehe mit geschlossenen Augen genau gar nichts. Dass andere auch hören, riechen, spüren, habe ich erst nach und nach bei meiner Beschäftigung mit dem Thema erfahren und bin immer noch am Lernen. Affirmationskarten und "stell dir vor"-Aufforderungen bei Meditationen habe ich davor nie wörtlich genommen und unter "langweilig" eingeordnet.