Ich frage mich, inwiefern die Aphantasie die herkömmlichen Ansätze der psychotherapeutischen Behandlung erschwert. Ich war jahrelang in psychotherapeutischer Behandlung und habe festgestellt, dass verschiedene Dinge bei mir nicht funktioniert haben. Entspannungs- und Traumreisen waren ein Frustrationserlebnis und ich habe lediglich die Stimmung als entspannt wahrgenommen. Autogenes Training, erfolglos. Für EMDR Erinnerungen aufrufen und fühlen, sehr schwierig. Sich in Gedanken sichere Orte suchen, Kontakt mit dem inneren Kind herstellen.... vieles lief in der Gesprächstherapie über Vorstellungsvermögen. Ich habe die Therapien und mich selber eher wie Dokumentationen empfunden, während anderes großes Kino erleben. Der Verstand hat die Informationen verarbeitet, die Gefühle konnten schlecht mitziehen. Andere erlebnisorientiertere Ansätze wie Expositionen, Kunst-, Tanztherapie.... haben eher Gefühle und Effekte erzielt. 2009-2014 konnte man in den psychosomatischen Fachkliniken nichts damit anfangen, wenn ich gesagt habe, dass ich nichts sehe und wenig fühle und mich manche Therapien nicht wirklich erreichen.
Ist bei Aphantasisten ein anderer Therapieansatz erfoderlich? Mit welchen Methoden kann man Aphantasisten erfolgversprechender behandeln? Gibt es hier einen Zusammenhang oder ist es nur meine persönliche Erfahrung?
Bei einer Verhaltenstherapie hat mich das weniger gestört denke ich. Allerdings in der Unterstützungsgruppe zur Essstörung wo ganz viel mit Traumreisen und so was gearbeitet wurde, bin ich fast wahnsinnig geworden. Ich hatte da aber noch nichts von Aphantasie gehört und fand es einfach nur grauenvoll... minutenlang auf dem Boden zu liegen und diesen Dummen Fluß zu suchen, der einfach nicht auftauchen will und in die schwärze zu starren. Sichere innere Orte.. fehlanzeige.. und auch innere Kind arbeit.
Ich selber war noch in einer Klinik die mit holotropen atmen und Bonding gearbeitet hat... Emotional sehr unschön und letzlich lässt dich das verwirrter zurück als das es irgendwas nutzt.
Ich habe also keine Antwort. Ich hatte aber, weil es mir wichtig erschien, meine damalige Therapeutin angeschrieben, wo es um diese Unterstützungsgruppen für die Essstörung ging, dass es aphantasie gibt und Leute wie ich, eventuell einfach wahnsinnig werden bei so einer Arbeit mitzumachen ( ich fand auch die Stimme nicht angenehm, obwohl sie eine angenehme stimme hatte und ein super lieber mensch ist, ) mein Fluchtreflex hatte nur eingesetzt und frustriert beschreibt nicht annährend wie genervt ich von mir war, dass ich mir noch nicht mal so einen blöden Baum vorstellen kann
Ich habe in diesem Zusammenhang mal ein kürzlich veröffentlichtes Preprint in das Subforum "Wissenschaftliche Veröffentlichungen" eingestellt.
The impact of aphantasia on mental healthcare experiences
Das ist noch nicht "peer-reviewed", daher vorab.
Eine hoch interessante Datenerhebung, wie ich finde.
Hallo kater, ich versuche auch nicht zu verunfallen. Aber da ich nicht alleine auf der Welt bin, hängt es nicht immer von mir alleine ab. Ich habe schon genügend mehr oder weniger elegante Stürze hin gelegt und ich kann sagen, dass ich mich in keinem Fall erinnern kann, was während dessen passiert ist.
"Da läuft routinemäßig zwar, aber eben bewußt mit, meine "Beobachter-routine", die kommentiert die Fahrt in Worten.
ICH bin quasi eins mit dem Auto: ich denke unbewußt"
Ist das nicht ein Widerspruch?
Aber entfernen wir uns nicht zu weit vom Thema.
"Da läuft routinemäßig zwar, aber eben bewußt mit, meine "Beobachter-routine", die kommentiert die Fahrt in Worten."
Das interessiert mich. Wie darf man sich das vorstellen? Ist das so, als würdest du ein Buch lesen in dem steht, was jemand gerade tut? Ich denke auch in Worten, aber ich denke über etwas nach, wenn ich Worte verwende. Ich kommentiere nicht was ich mache. Das mache ich einfach. Wortlos, glaube ich.
Es ist gar nicht so leicht zu beschreiben was und wie man denkt. 😃
Hallo kater, mit Fragebögen habe ich auch oft Probleme. Ob man damit immer verwertbare Antworten bekommt, wage ich zu bezweifeln. Trotzdem fülle ich sie gerne aus, wenn die Verfasser irgendwelche wissenschaftlichen Ziele verfolgen.
Ich könnte meine früheren Gefühle z. B. nicht "aufrufen" und wieder so erleben, wie früher. Aber ich könnte erklären, dass ich mich z. B. sehr gut gefühlt habe, oder sehr schlecht. Gibt es Menschen, die ihre früheren Gefühle absichtlich abrufen und wieder genauso erleben können, wie früher? Kann ich mir nicht vorstellen.
Abgesehen davon rate ich dir, neben deinen Therapien auch deinen Körper untersuchen zu lassen. Oft sind Depressionen auch von der Art der Ernährung abhängig. Wenn man mit bestimmten Vitaminen, oder anderem unterversorgt ist. Lichtmangel.
Genetische Veranlagung. Dazu gibt es eine Studie der Uni Bonn. Ob das noch aktuell ist, weiß ich aber nicht. https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/depression-internationale-studie-bringt-licht-in-die-ursachen-der-lebensfinsternis-8288.php
Ich bin mal so offen: Ich bin nach wie vor seit 13 Monaten arbeitsunfähig mit Depression, mittelgradig & Panikstörung. Zuletzt beides gebessert in der Reha vor einigen Monaten; im Zusammenhang mit der Diagnostik dort bin ich auf das Phänomen Aphantasie sowie SDAM gestoßen. Ich habe durch neu erworbenes Wissen diverse Verbesserungen in meiner Eigendiagnose und eine deutlich verbesserte, präzisere Terminologie zur Verfügung als zuvor, wo mein ICH alles Privatsache war, und nicht explizit bennat werden musste, um mir Gedanken darüber zu machen. Daher (weil ich auf der Warteliste an der UniKlinik Lübeck dran bin) bin ich wieder in der Diagnose drin. nächste Woche diskutieren wir die neue Diagnose, wobei ich im Entlassungsbericht der Klinik "Verdacht auf Aphantasie" stehen habe, und ich ausgiebig praktisch meine Erlebnisse dargelegt habe. So etwa der Depressionsfragebogen: "normal" hätte ich den zum Ausfüllen nach Hause mitbekommen. Ich habe gefragt: "Kommen da Fragen nach Gefühlen im Vergleich zu jetzt und irgendwann damals vor?" Er: "Ja, 4 Wochen und 3 Monate" ich: {erkläre SDAM einem Psychologen} Er: "Die anderen müssten aber gehen" ich: "OK" - waren sie auch. Mit diversen Randbemerkungen konnte ich die Fragen wahrheitsgemäß antworten. letzlich muß anscheinend der Fragebogen für die vollständige Diagnose ausgefüllt werden, also mit dem Therapeuten zusammen... 🙄 60 Minuten 😁 zum Teil absurde Situationen wie: Fragen zu Gefühlen von früher im Vergleich (diverse Varianten) ... ich: "ich verstehe die Fragestellung nicht. Wie soll ich mich denn an Gefühle von früher erinnern können?" , jeweils auf die Frage angepasst, denn egal wie man es dreht oder wendet:
Ich habe in der Praxis keine autobiographische Erinnerungen und kann solche Fragen nach meinem Befinden nur für den JETZT Moment beantworten. ich berichte gern, was bei meiner Diagnose raus kommt, wenn Interesse besteht. Ich kann, wenn nicht anders gekennzeichnet, natürlich nur von mir schreiben. Ein wenig Erfahrung mit Therapien & Aphantasie habe ich auch. Aber erst mal das hier.
Hallo Claudia, ich kann natürlich nur für mich sprechen.
Autogenes Training hat bei mir funktioniert. Einfach deshalb, weil die "Unterstufe" des AT rein verbal funktioniert. Man suggeriert sich etwas mit Worten. In welcher Weise mir das geholfen hat, kann ich leider nicht sagen, weil ich abwechselnd auch Konzentrationsübungen gemacht habe. Und zwar, indem ich mich auf Töne aus dem Radio konzentriert habe. Es war an und für sich für mich eine Zeit des Umbruchs, alles war in Bewegung. Zeitweise hatte ich sogar das Gefühl, mein Gehirn würde sich bewegen, vor lauter Konzentration, usw. Da kann man schwer feststellen, was wodurch ausgelöst wurde.
Ich konnte z. B. nichts mit diesem Rohrschachtest anfangen. Damals musste ich zu einer Schulpsychologin gehen, die keine Ahnung hatte, was sie mit mir anfangen sollte. Ich glaube sie war unfähig. Offenbar dachte sie, ich wolle nicht mitarbeiten, weil ich keine Ahnung hatte, was ich in diesen Farbklecksen sehen sollte. Für mich waren das einfach nur Farbkleckse. Ob das mit meiner Aphantasie zu tun hatte, weiß ich nicht. Ist hier jemand der/die so einen Test schon mal gemacht hat?
Hypnotisieren habe ich mich auch einmal lassen. Nicht von dieser Frau, denn die hat das abgelehnt. Ich wollte das aber unbedingt einmal machen und als ich einen Prospekt von einer Rückführung in die Hände bekam, war das meine Chance. Hat eigentlich nichts mit Psychologie, also Heilung zu tun. Mit dieser Frau habe ich über meine Aphantasie gesprochen. Davon hatte sie noch nie gehört und sie war entsetzt. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie jemand sich z. B. etwas merken kann, ohne Bilder zu sehen. Und sie erklärte mir, Hypnose könne doch nur funktionieren, wenn man innere Bilder sehen kann. Deshalb war sie sehr gegen AT, weil man da mit Worten arbeitet. Zumindest am Anfang. Diese Frau hat Hypnose eingeleitet, indem sie aufforderte, etwas innen zu sehen. Konnte ich nicht. Sie hat mir auch gesagt, nicht jeder Mensch könne hypnotisiert werden, aber warum es bei manchen nicht funktioniert (zumindest bei ihr) wusste sie nicht. Mich konnte sie zwar hypnotisieren, aber ich konnte auch in Trance nicht wirklich etwas sehen. Es waren mehr Gefühle und Ideen, als echte Bilder. Ein posthypnotischer Effekt hat trotzdem funktioniert. Der war allerdings rein verbal. Vielleicht hat es deshalb geklappt. Ich sollte mich an meinen Namen aus einem früheren Leben erinnern. Dazu brauchte ich mir nichts vorstellen, oder innere Bilder sehen. Sie sagte nur diesen einen Satz, weil ich es von ihr verlangt hatte. Als ich zu Hause dann auf schrieb was ich erlebt hatte, dachte ich daran gar nicht mehr. Plötzlich wollte meine Hand etwas ganz anderes schreiben, als ich es wollte. Ich war entsetzt, panisch und habe echt gegen meine eigene Hand gekämpft. Es war gespenstisch. Natürlich blieb ich Sieger. Erst als ich der Frau davon erzählte, meinte sie, das sei der posthypnotische Befehl gewesen, den mein Unterbewusstsein habe ausführen wollen. (Da habe ich mich natürlich nachträglich geärgert, weil ich so blöd war.)
Ob man durch Hypnose echte Erinnerungen an frühere Leben bekommt, weiß ich nicht. Da es in diesem Zusammenhang auch nicht darum geht, lasse ich die Geschichte einfach einmal so da stehen.
Was EMDR ist, wusste ich nicht. Ich habe jetzt nur schnell nachgelesen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht bei Aphantasie funktioniert, weil man dabei anscheinend Bilder von Geschehnissen aufrufen sollte. Das kann man sicher nicht.
Ich habe alle meine Probleme selbst gelöst, indem ich sie verbal immer wieder durchdacht habe. Genauer gesagt, ich habe mir aufgeschrieben was passiert ist, was ich dazu dachte, usw. Eigentlich habe ich nur versucht zu verstehen warum ich so, oder so reagiert habe und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich selbst absolut keine psychischen Probleme habe, oder jemals. Ich habe/hatte nur Probleme mit Menschen, die psychische Probleme haben.
Menschen mit Aphantasie sollten meiner Meinung nach mit Logik arbeiten. Alles in diesem Leben ist logisch begründet. Bilder können logische Gedankengänge umgehen, sie wecken Emotionen. Der klare Menschenverstand funktioniert besser ohne Bilder. Psychische (nicht psychiatrische) Probleme brauchen keine Therapeuten, sondern nur Logik, weil Emotionen bei Aphhantasikern keine so große Rolle spielen. Zumindest wird das vermutlich bei den meisten Aphantasikern der Fall sein.
LG
Susi
Hallo Claudia,
es gab kürzlich einen Preprint (https://osf.io/mwucb), der zu folgendem Schluss gekommen ist:
"Aphants report “lack of awareness or understanding of aphantasia” as a common factor in missed- or misdiagnosis by mental health professionals, although the prevalence of missed and misdiagnoses are no different from typical imagery controls; and aphants are very likely to report that therapies involving mental imagery, especially visual imagery in CBT, are ineffective in their mental health treatment compared to controls."
Hierbei ist allerdings wichtig zu beachten, dass es sich um den Selbstbericht der betroffenen handelt. Es ist also nicht klar, ob die entsprechenden Verfahren tatsächlich unwirksam sind oder nur als unwirksam erlebt werden. So könnte es z. B. sein, dass sich Aphantasisten nicht auf solche Verfahren einlassen können, weil zu sehr auf das Vorstellungsvermögen fokussiert wird, eine konzeptionelle Beschäftigung mit den Inhalten aber genauso wirksam wäre. Eines unserer eigenen Paper kommt zum Beispiel zu dem Schluss, dass imaginative Konfrontationsverfahren genauso wirksam sein könnten [1]. Weitere Forschung bleibt aber abzuwarten.
Quellen:
[1] Monzel, M., Agren, T., Tengler, M., & Reuter, M. (2023). Imaginal extinction without imagery: Dissociating the effects of visual imagery and propositional thought by contrasting participants with aphantasia, simulated aphantasia, and controls. Psychophysiology, 60(9), e14271.