Ich stelle bei mir immer wieder fest, dass ich Schwiergkeiten habe, Personen, die ich neu kennengelernt habe, zuverlässig wiederzuerkennen. Erst, nachdem ich die Person einige Male in einem überschaubaren Zeitraum wiedergesehen habe, funktioniert auch die zuverlässige Identifizierung. Wenn ich jemanden dann über einen langen Zeitraum nicht mehr gesehen habe, kann es passieren, dass diese Wiedererkennung nicht mehr so gut funktioniert.
Ich vermute einen Zusammenhang mit meiner Aphantasie, vielleicht ist es auch eine abgeschwächte Version der sogenannten Gesichtsblindheit.
Geht es anderen, die an Aphantasie leiden, genauso, gibt es bereits erkannte wissenschaftliche Zusammenhänge?
Das gehört zwar nicht so ganz hierher, aber da es angesprochen wird: wieso sagt man eigentlich "Gesichtsblind"? Man sieht das Gesicht ja. Man vergisst nur, dass man es schon einmal gesehen hat. Sonst könnte man es auch nicht zeichnen.
Hallo Andreas,
wir haben in einer unserer Studien festgestellt, dass die Gesichtserkennung von Aphantasisten nur geringfügig schlechter ist als die von Nicht-Aphantasisten [1]. Aphantasie scheint bei der Gesichtserkennung nur dann eine Rolle zu spielen, wenn alternative Merkstrategien nicht funktionieren, wie z. B. das Merken einzelner Features (z. B. "der Mann mit der Narbe") [2]. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich mehrere Personen extrem ähnlichsehen. Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass bei Aphantasie nur die Gesichtwiedererkennung und der Abgleich von Gesichtern eingeschränkt ist, nicht aber deren Rekonstruktion (im Vergleich zu Nicht-Aphantasisten) [3].
Liebe Grüße Merlin
Quellen:
[1] Monzel, M., Vetterlein, A., Hogeterp, S. A., & Reuter, M. (2023). No increased prevalence of prosopagnosia in aphantasia: Visual recognition deficits are small and not restricted to faces. Perception, 52(9), 629-644.
[2] Monzel, M., Handlogten, J., & Reuter, M. (2024). No verbal overshadowing in aphantasia: The role of visual imagery for the verbal overshadowing effect. Cognition, 245, 105732.
[3] Dance, C. J., Hole, G., & Simner, J. (2023). The role of visual imagery in face recognition and the construction of facial composites. Evidence from Aphantasia. Cortex, 167, 318-334.
Dass ich trotz meiner Aphantasie sehr gut Gesichter und auch Orte wiedererkenne - selbst nach Jahren noch, bin ich es bei Zufallsbegegnungen, der z.B. Mitschüler zuerst wiedererkennt trotz der Veränderungen, die das Leben in den Gesichtern hinterlässt -, erkläre ich mir damit, dass Gesichter und auch Räume von Neugeborenen besonders rasch wiedererkannt werden müssen, sodass hier wohl in abstrakter Form zuverlässiger Merkmale abgespeichert werden können, die diese Wiedererkennung trotz fehlender Bilder ermöglichen. Für mich passt auch dazu, dass ich sehr gut Filme wiedererkenne, die ich schon einmal gesehen habe. Im Gegensatz zu meiner Lebenspartnerin, die trotz ihres starken bildlichen Vorstellungsvermögen bei der Wiedererkennung von Gesichtern von Menschen, die wir vor Jahrzehnten das letzte Mal gesehen haben, oder von Orten bzw. von Filmen scheitert oder sehr viel länger braucht, bis sie sich erinnern kann. Ansonsten kann ich Gesichter eben nicht beschreiben - selbst die von meinen 6 Kindern nicht oder meiner Lebenspartnerin. Trotzdem müssen ja irgendwo in meinem Gedächtnis abstraklte Merkmale für Gesichter abgespeichert sein, damit meine Wiedererkennensleistung funktioniert - nur habe ich keinen Zugriff darauf.
Ich struggle auch sehr mit Gesichtern merken (und Namen). Ich erkenne Menschen mit denen ich wenig zu tun habe nur im vertrauten Umfeld. Bin schon an Nachbarn beim Einkaufen vorbei gelaufen.
Ehrlich gesagt ich sehe da einen Zusammenhang, ich kann mir nichts Bildlich vorstellen, daher kann ich mir Gesichter schlecht merken. Ich kann auch nicht beschreiben wie jemand aussieht und ehrlich gesagt, ist mir mein eigenes Gesicht nicht bewusst. Klar erkenne ich mich auf Fotos aber ich könnte nicht sagen wie ich Aussehe (abgesehen von Augenfabe, die kann man sich als Wort gut merken)
Wie der wissenschaftliche Zusammenhang ist, kann ich dir nicht sagen. Ich habe die stärkste Form der Aphantasie und ein extrem gutes Personen- und Namensgedächtnis. Ich muss mir im beruflichen Zusammenhang schnell viele Namen merken und kann diese teilweise nach einmaligen Sehen größerer Gruppen. Das Witzige: mein Mann hat Hyperphantasie und ist das komplette Gegenteil 🤣 er kennt die Namen unserer alten Klassenkameraden nicht und erkennt diese auch nicht wieder, wohingegen ich Personen, die ich einmalig irgendwo vor Jahren kurz getroffen hab, wiedererkenne.
Ich bin komplett gesichtsblind - selbst nach 32 Lebensjahren erkenne ich meine Eltern nicht am Gesicht, sondern an anderen Merkmalen. Witzigerweise habe ich überhaupt kein Problem damit, mit Namen zu merken. Ich weiß sehr, sehr schnell, welcher Name auf welchem Platz sitzt, wenn ich neue Leute kennenlerne ... Nur sobald sich die Leute dann bewegen, bekomme ich ein Problem.
Bei flüchtigen Kontakten (z.B. ein mal für ein eine halbe Stunde in einem Webmeeting ohne besondere Auffälligkeiten/Geschehnisse gesehen) erkenne ich Personen auch nicht zuverlässig wieder. Ansonsten klappt das Gesichter erkennen sehr gut, allerdings ist der Name zum Gesicht ein Problem. Wie Nadine würde ich aber auch sagen, dass ich typischersweise sehr intensiv am beobachten bin.
@anette Zur sorge, dass das Namensgedächnis als Arrogant rüberkommt: Ich habe im Bekanntenkreis viele, die ein schlechtes Namensgedächtnis verstehen und in Situationen, wo viele Personen gleichzeitig neu sind ist das Verständnis da allgemein groß. Im direkten Kollegenkreis hab ich mal die humorvolle Aussage bekommen dass ein Kollege froh über mein schlechtes Namensgedächtnis ist. Da mein Gedächtnis sonst sehr gut ist macht das schlechte Namensgedächtnis mich demnach etwas Menschlicher - ich bin halt nicht überall die "Maschine" die sich an alle Details erinnert.
Hallo! Ich kann mir Gesichter auch nicht merken. Bin einmal an meiner Mutter vorbei gegangen weil ich dachte, das wäre sie nicht. Sie hat nämlich dasselbe Problem wie ich und einmal kam sie auf die blöde Idee so zu tun, als würde sie mich nicht kennen. Sie hat z.B. einmal ihren Bruder in der Straßenbahn nicht erkannt. Nachher fanden wir es lustig. Sie hatte aber ein wenig bildliche Fantasie, im Gegensatz zu mir.
Hallo Andreas
Bei mir ist das genau so, wie du s beschreibst. Ich brauche viel Wiederholung, bis ich neue Menschen zuverlässig erkennen kann. Anfangs benötige ich dazu auch einen verlässlichen Kontext: bei unerwarteten Begegnungen (zum Beispiel in ungewohnter Umgebung) erkenne ich neue Kontakte nicht sogleich. Ich bin grundsätzlich sehr freundlich zu allen Menschen (vielleicht habe ich mir dies unbewusst als Taktik angeeignet?) und grüsse alle, die mir ins Gesicht schauen. Wenn sich ein Gespräch ergibt (und ich bemerke, dass ich die Person kennen sollte), komme ich mit der Zeit meist aus dem Zusammenhang der Unterhaltung drauf, mit wem ich spreche. Ich denke, dass dies mein Gegenüber gar nicht bemerkt. Für die meisten Menschen ist meine Situation ja nicht nachvollziehbar.
Leider habe ich zusätzlich Probleme mit Namen; die sind für mich oft sehr austauschbar (Bettina und Brigitte zum Beispiel, oder Markus, Stefan, Christian… ist irgendwie die gleiche „Gruppe“). Ich habe manchmal Angst, ich könnte für mein Gegenüber arrogant wirken und versuche deshalb, meine Unsicherheit nicht zu zeigen. Aber anstrengen tut s mich schon. Und blöde Situationen, da ich Leute verwechselt habe, gab s auch schon.
Seit ich von meiner Aphantasie weiss, habe ich diese Schwierigkeiten ihr zugeschrieben. Aber wie ich hier im Forum lese, ist das doch auch sehr unterschiedlich…
Spannend.
Hallo @Andreas Loosen, mein Namensgedächtnis ist schlecht. Aber ich kann mir Gesichter sehr gut merken. Auch nach Jahren erkenne ich Menschen zuverlässig wieder. Mir fällt aber auch auf, dass ich sehr intensiv beobachte. Vielleicht weil ich nicht "speichern" kann.